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Erst- oder Zweitausbildung – Ein Überblick

Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland werden Ausbildungskosten grundsätzlich gefördert. Der Anspruch auf Kindergeld bzw. die steuerliche Berücksichtigung der angefallenen Kosten hängen insbesondere von der Qualifikation als Erst- oder Zweitausbildung ab. Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Erst- und Zweitausbildungen ist die Abgrenzung häufig Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen.

Erst- oder Zweitausbildung?

Eine Erstausbildung im Sinne von § 9 Absatz 6 EStG liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Von einer geordneten Ausbildung ist auszugehen, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen.

Eine Zweitausbildung liegt somit vor, wenn bereits zuvor eine Erstausbildung abgeschlossen wurde. Nach allgemeiner Rechtsprechung kann auch ein Bachelor- oder Masterstudium als Erstausbildung eingestuft werden. Eine erstmalige Berufsausbildung muss nicht bereits mit dem ersten (objektiven) berufsqualifizierenden Abschluss erfüllt sein. Entscheidend sind das angestrebte Berufsziel und ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges darstellt. Besteht eine inhaltliche Verknüpfung (Zusammenhang hinsichtlich der Berufssparte oder des fachlichen Bereichs) und liegt ein zeitlicher Zusammenhang vor (Studium ab dem nächstmöglichen Semester) kann das Folgestudium gemeinsam mit dem vorangehenden Studium als einheitliche Erstausbildung eingestuft werden.

Eine vor Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt zu einem Einschnitt, der den engen Zusammenhang entfallen und eine weitere Ausbildung als gesonderte Zweitausbildung erscheinen lässt.

Auch der Beginn einer Berufstätigkeit vor der zweiten Ausbildung, die nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, schließt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs eine einheitliche Erstausbildung aus.

 

Auswirkungen auf das Kindergeld

Von der Geburt des Kindes bis zum 18. Geburtstag besteht eindeutig ein Anspruch auf Kindergeld. Ab Vollendung des 18. Lebensjahrs ist bei der Beurteilung des Kindergeldanspruchs zu differenzieren. Ein Anspruch besteht nur noch für ein Kind, welches das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und gleichzeitig eine Erstausbildung absolviert. Handelt es sich um eine Ausbildung nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird das Kind nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

In jüngster Vergangenheit gab es zahlreiche Entscheidungen bzgl. der Einteilung in Erst- oder Zweiausbildungen in Verbindung mit der Bewilligung des Kindergeldes, zum Beispiel:

 

FG Münster vom 24. Mai 2018:

Die Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt und ein nachfolgender berufsbegleitender Studiengang zum „Master of Arts in Taxation“ sind keine einheitliche erstmalige Berufsausbildung. Bei dem anschließenden Studiengang, der zugleich der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung dient, handelt es sich vielmehr um eine Zweitausbildung, da das Berufsbild des Steuerberaters keine Unterscheidung zwischen einem Steuerberater mit und ohne Master-Abschluss vorsieht. Bereits durch den Abschluss als Diplom-Finanzwirt sind die Zulassungsvoraussetzungen für die Steuerberaterprüfung erfüllt. Des Weiteren erforderte die Zulassung zur Steuerberaterprüfung, dass eine 3-jährige praktische Tätigkeit nachgegangen wurde. Die gesamte Entscheidung kann hier nachgelesen werden.

 

FG Baden-Württemberg vom 16. Januar 2018

Ein berufsbegleitendes Masterstudium im Studiengang Wirtschaftspsychologie nach der Absolvierung eines Bachelorstudiums in Betriebswirtschaftslehre ist eine Erstausbildung. Entscheidend hierfür war das schon vor dem Bachelorstudium festgelegte angestrebte Berufsziel (gehobene Position in der Wirtschaft). Das Masterstudium ist Voraussetzung für das Erreichen des Berufsziels (integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs). Das Kindergeld wurde bewilligt. Das Vorliegen des angestrebten Berufsziels vor Aufnahme des Bachelorstudiums musste vor Gericht ausführlich begründet und nachgewiesen werden, u.a. durch Zeugenaussagen der Eltern. Die gesamte Entscheidung kann hier nachgelesen werden.

 

Steuerliche Berücksichtigung von Ausbildungskosten bei der Einkommenssteuererklärung

Die Frage, ob es sich um eine Erst- oder um eine Zweitausbildung handelt, hat, neben der Bewilligung des Kindergeldes, auch besondere Relevanz für die Einkommensteuererklärung des Kindes.

 

Kosten der Erstausbildung

Lt. aktueller Rechtslage können Aufwendungen für eine Erstausbildung oder ein Erststudium nicht unbegrenzt als Werbungskosten, sondern lediglich begrenzt bis zu 6.000 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abgesetzt werden (§ 9 Abs. 6 EStG). Der entscheidende Nachteil dieser Regelung besteht darin, dass sich trotz des Sonderausgabenabzugs in der Regel keine steuerliche Auswirkung ergibt, da häufig noch keine weiteren Einkünfte erzielt werden, mit denen die Ko­sten verrechnet werden können. Ein Vortrag von Sonderausgaben in zukünftige Jahre, in denen ggf. höhere Einkünfte zu erwarten sind, ist für Erstausbildungen ausdrücklich nicht vom Gesetzgeber vorgesehen.

 

Kosten der Zweitausbildung

Die gewünschte Möglichkeit des Vortrags der Ausbildungskosten ist derzeit möglich, wenn vorab eine Erstausbildung abgeschlossen wurde. In diesem Fall werden die selbst getragenen entstandenen Aufwendungen, z.B. Fahrtkosten zur Universität, Kosten für Fachbücher, Materialien oder Studiengebühren, tatsächlich als Werbungskosten qualifiziert. Besteht im Jahr der Entstehung der Kosten keine Verrechnungsmöglichkeit mit steuerpflichtigen Einkünften, wird der entstandene Verlust vom Finanzamt gesondert festgestellt und solange vorgetragen, bis z.B. nach Beendigung des Studiums Einkünfte in entsprechender Höhe erzielt werden und sich somit zeitversetzt eine Steuererstattung ergibt.

 

Aktuelle Entwicklung

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs berechtigt jedoch auch eine Erstausbildung zum unbegrenzten Werbungskostenabzug. Die Richter halten die aktuelle Fassung des Einkommensteuergesetzes für rechtswidrig und haben die Rechtsfrage zur endgültigen Klärung an das Bundesverfassungsgericht weiterverwiesen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde in dieser Angelegenheit jedoch bisher nicht gesprochen.

Die Finanzämter versehen wegen der unklaren Rechtslage derzeit sämtliche Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der „Ausbildungskosten“ mit einem sog. Vorläufigkeitsvermerk. Das bedeutet, dass die Bescheide in diesem Punkt offen bleiben und nach einer etwaigen positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts automatisch zugunsten der Steuerpflichtigen geändert werden.

 

Noch Fragen?

Wenn Ihre Kinder oder Sie sich derzeit in einer Ausbildung befinden, informieren und beraten wir Sie gern über ein passendes Konzept zur steuerlichen Förderung der anfallenden Kosten.