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Grundstücksenteignung kein privates Veräußerungsgeschäft

Der BFH hat mit Urteil vom 23. Juli 2019 (IX R 28/18) entschieden, dass die Entschädigungszahlung bei Entzug eines Grundstücks durch Sonderungsbescheid kein Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG darstellt.

Allgemeines

Nach dem § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn Grundstücke und Gebäude veräußert werden, bei denen der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Davon ausgeschlossen sind Wirtschaftsgüter, die zwischen der Anschaffung und Veräußerung ausschließlich eigenen Wohnzwecken gedient haben oder im Jahr der Veräußerung und den zwei vorhergehenden Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Soweit die Ausschlusstatbestände nicht erfüllt sind, sollen nach Zweck der Regelung die innerhalb der Veräußerungsfrist realisierten Wertänderungen des Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen unterworfen werden, soweit sie auf einer entgeltlichen Anschaffung und einer entgeltlichen Veräußerung beruhen.

 

Sachverhalt

Im dem BFH vorgelegten Sachverhalt kaufte der Steuerpflichtige Anfang der 1990er Jahre einen Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück. Im Jahr 2005 erwarb er im Rahmen einer Zwangsversteigerung den anderen hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück, sodass er nun Alleineigentümer war. Eine Bebauung des Grundstücks erfolgte nicht.

In 2008 erteilte die Stadt im Rahmen eines Bodensonderungsverfahrens einen Sonderungsbescheid an den Steuerpflichtigen, nach dem das Eigentum an dem Grundstück an die Stadt übergeht. Als Entschädigung für die Enteignung erhielt der Steuerpflichtige zunächst eine Zahlung in Höhe von rd. 470 TEUR. Aufgrund einer Klage gegen die Stadt erfolgten in den folgenden Jahren noch weitere Entschädigungszahlungen in Höhe von rd. 130 TEUR.

Im Betriebsprüfungsbericht der Jahre 2009 – 2011 vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass die Enteignung des Steuerpflichtigen durch die Stadt ein Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle und insoweit die Entschädigungszahlungen zu Veräußerungsgewinnen geführt haben. Hiergegen legte der Steuerpflichtige ohne Erfolg Einspruch ein. Das Finanzgericht Münster entschied in erster Instanz (Urt. v. 28.11.18 – 1 K 71/16 E), dass die Entschädigungszahlungen keinen steuerbaren Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft darstellen, verwies den Fall aber zur Revision an den BFH.

 

Entscheidungsgründe des BFH

Der BFH betonte, dass die Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ im Rahmen des Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG entgeltliche Erwerbs- und Übertragungsvorgänge umfassen, die wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und demnach Ausdruck seiner wirtschaftlichen Betätigung seien.

An einer solchen vom Willen des Steuerpflichtigen getragenen Übertragung auf eine andere Person fehle es aber im Fall einer Enteignung wie sie im vorliegenden Fall gegeben sei, da der Verlust des Grundstücks ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattgefunden habe.

Dies folge schon aus dem Wortlaut der Regelung, die von einem Veräußerungs“geschäft“ spräche und damit von einem schuldrechtlichen und dem rechtgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen unterworfenen Vertrag. Eine Enteignung vollziehe sich aber vielmehr gegen oder jedenfalls ohne den Willen des Eigentümers. Der hierdurch erfolgte Eigentumsübergang erfülle daher nicht die Tatbestandsvoraussetzungen und die Annahme der geforderten wirtschaftlichen Betätigung nach dem § 23 EStG.

Nach Zweck der Vorschrift sei es dem Steuerpflichtigen freigestellt, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Steuertatbestands des privaten Veräußerungsgeschäfts zu entscheiden und damit sein Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Eben diese Entscheidungsfreiheit sei dem Steuerpflichtigen aber genommen, wenn hoheitlich angeordnete Übertragungen mit der aus eigenem Willen vorgenommenen Übertragung gleichgesetzt würden. Die Enteignung durch die Stadt erfülle im Ergebnis nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 EStG, sodass der Vorgang kein privates Veräußerungsgeschäft auslöse.

 

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