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Künftig auch Vorsteuerabzug ohne Rechnung möglich?

Mit Urteil vom 21. November 2018 stellt der EuGH fest, dass die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit verstößt. Steuerpflichtigen wird dadurch auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität ihrer Umsätze verwehrt.

Sachverhalt

Das o.g. Urteil bezieht sich auf einen rumänischen Steuerpflichtigen, der zwischen 2006 und 2009 mehrere Immobilienumsätze im Wert von ca. 4 Mio. Euro getätigt und damit die gesetzliche Schwelle der Mehrwertsteuerbefreiung überschritten. Eine mehrwertsteuerliche Registrierung erfolgte nicht.

Aufwendungen im Zusammenhang mit den Umsätzen ergaben sich im Wesentlichen aus getätigten Eigenleistungen. Hierfür konnten lediglich Kassenzettel vorlegt werden, die zwischenzeitlich unleserlich geworden waren. Daraufhin gewährten die rumänischen Steuerbehörden keinen Vorsteuerabzug.

Hintergrund

Der EuGH hat in den vergangenen Jahren vielfach die Auswirkungen des Vorliegens einer ordnungsmäßigen Rechnung auf den Vorsteuerabzug behandelt. Der EuGH hat dabei entschieden, dass das Fehlen einzelner Rechnungsangaben nicht zwingend den Vorsteuerabzug ausschließt. Das grundsätzliche Fehlen einer Rechnung im Gesamten wurde jedoch nie in Abrede gestellt. Mit der neuesten Entscheidung vom 21. November 2018 dürfte diese Auffassung jedoch überholt sein. Der EuGH überträgt seine Grundsätze hinsichtlich des Fehlens einzelner Rechnungsangaben auf die Rechnung als Ganzes, die durch den objektiven Nachweis der materiellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen ersetzt werden kann.

Der EuGH beschränkt die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs allein auf folgende Punkte:

– der Betroffene ist Steuerpflichtiger (d.h. Unternehmer)

– die Eingangsleistungen werden auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet

– die Eingangsleistungen werden von einem anderen Unternehmen erbracht

Folgen für die Praxis

Der EuGH hat bisher die Frage unbeantwortet gelassen, welche Anforderungen an den die Rechnung ersetzenden objektiven Nachweis der materiellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen zu stellen sind.

Auch die deutsche Finanzverwaltung hat bislang noch nicht auf das aktuelle EuGH-Urteil reagiert. Daher ist davon auszugehen, dass von den Finanzbehörden vorerst die bisherige Rechtslage angewendet wird, die für einen Vorsteuerabzug zwingend die Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung vorsieht.

Unter Hinweis auf EuGH Urteil ist es ratsam, Rechtsmittel einzulegen, sofern der Nachweis der materiellen Vorsteuervoraussetzungen möglich erscheint. In den Fällen, in denen absehbar ist, dass ordnungsgemäße Rechnungen nicht erlangt werden können, sollte grundsätzlich Beweisvorsorge (ggf. durch Zeugenaussagen) getroffen werden.

Die Rechtsprechung ist für zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer regelmäßig von erheblicher Bedeutung. Die Frage, ob bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen, ist häufig Gegenstand von Diskussionen mit der Finanzverwaltung, insbesondere im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen.

Noch Fragen?

Haben auch Sie bereits mit dem Finanzamt über die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug diskutieren müssen? Gerne beraten wir Sie zu diesem Thema und allen anderen umsatzsteuerlichen Fragestellungen. Sprechen Sie uns gerne an.