Lieferung von Mieterstrom als selbstständige Hauptleistung
Das FG Münster hat mit Urteil vom 18. Februar 2025 entschieden, dass die Lieferung von Mieterstrom keine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung ist, sondern eine selbstständige Hauptleistung.
Hintergrund
Ein Eigentümer eines umsatzsteuerfrei vermieteten Mehrfamilienhauses, der seinen Mietern Strom über eine PV-Anlage liefert, den er über die Betriebskostenabrechnung abwickelt, machte aus der Anschaffung der PV-Anlage einen Vorsteuerabzug geltend.
Strittig war, ob die Stromlieferung eng mit der Vermietung der Wohnungen verbunden war. Diese enge Verbindung würde dazu führen, dass die Stromlieferung als Nebenleistung zur Hauptleistung (Vermietung) anzusehen wäre. Da die Vermietung der Wohnungen umsatzsteuerfrei erfolgt, würde folglich ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Das Umsatzsteuergesetz sieht grundsätzlich vor, dass die Vermietung von Grundstücken und Gebäuden umsatzsteuerfrei ist. Der Vermieter hat unter bestimmten Voraussetzungen jedoch die Möglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren. Dies hat z.B. den Vorteil, dass der Eigentümer Vorsteuern aus der Herstellung oder aus Instandhaltungsmaßnahmen geltend machen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass der Eigentümer an einen anderen Unternehmer vermietet, der das Objekt für dessen Unternehmen nutzt und es ausschließlich für Umsätze verwendet bzw. zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. In diesem Fall ist der Vermieter verpflichtet eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu erstellen, in der ein gesonderter Steuerausweis erfolgt. Auch ein Mietvertrag kann eine ordnungsgemäße Rechnung darstellen, wenn die Formvorschriften vollständig erfüllt sind.
Fallgruppen bei der Vermietung von Immobilien:
Im Kontext der Vermietung von Immobilien gibt es zwei wesentliche Fallgruppen:
- Trennung der Leistung: Wenn der Mieter die Möglichkeit hat, selbst über Lieferanten oder die Nutzungsmodalitäten der zu vermietenden Gegenstände oder Dienstleistungen zu entscheiden, wird in der Regel eine Trennung zwischen der Vermietung und den begleitenden Leistungen vorgenommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Mieter die Menge oder den Umfang der Leistungen wählen kann (z. B. Strom, Wasser, Internet), und die Abrechnung auf Basis des Verbrauchs erfolgt. In diesem Fall sind diese Leistungen separat von der eigentlichen Vermietung zu betrachten und unterliegen gegebenenfalls anderen steuerlichen Regelungen.
- Einheitliche Leistung: Wenn jedoch die Vermietung eines Gebäudes und die damit verbundenen Dienstleistungen (z. B. Reinigungsdienste, Wartung) wirtschaftlich so eng miteinander verbunden sind, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, wird davon ausgegangen, dass es sich um eine einheitliche Leistung handelt. Hier wäre eine Trennung der Leistungen nicht sinnvoll, da die Vermietung und die begleitenden Dienstleistungen zusammen eine umfassende wirtschaftliche Einheit bilden, die als solche zu betrachten ist.
Gerichtsurteil
Nach Ansicht des Senats wird im vorliegenden Fall die PV-Anlage des Klägers vollumfänglich für steuerpflichtige Ausgangsumsätze genutzt. Die Stromlieferungen an die Mieter stellen demnach keine unselbständigen Nebenleistungen zur umsatzsteuerfreien Vermietung dar, sondern sind als eigenständige Hauptleistungen in Form von Lieferungen zu qualifizieren.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinen Urteilen vom 11. November 2015 (V R 37/14) und vom 17. Juli 2024 (XI R 8/21) klargestellt, dass die Stromlieferung sowie andere Mietnebenkosten wie Wasser oder Wärme, über deren Verbrauch der Mieter entscheiden kann und die durch individuelle Zähler erfasst und verbrauchsabhängig abgerechnet werden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennte Leistungen zu betrachten sind.
Im Streitfall hatten die Mieter des Klägers die Möglichkeit, den Lieferanten und die Nutzungsmodalitäten des Stroms selbst zu wählen, was durch das gesetzliche Koppelungsverbot von Miet- und Energieversorgungsverträgen gemäß § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) unterstützt wird. Der durchschnittliche Verbraucher erkennt daher, dass Mietverträge und Stromlieferverträge eigenständige, voneinander unabhängige Verträge sind.
Im konkreten Fall haben vier Mietparteien bestätigt, dass sie die Möglichkeit hatten, ihren Stromanbieter zu wechseln, während bei den übrigen drei Mietparteien davon auszugehen ist, dass sie sich zwar nicht aktiv mit der Wechselmöglichkeit befasst haben, aber diese leicht hätten erkennen können. Zudem war es den Mietern möglich, über ihren Stromverbrauch zu entscheiden, da separate Stromzähler installiert waren.
Der Senat stellte zudem klar, dass er nicht an der Verwaltungsauffassung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) gebunden ist, die in Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 von einer Stromlieferung als Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung ausgeht. Vielmehr werden die Stromlieferungen als eigenständige Hauptleistungen betrachtet.