Rückwirkende Auszahlung von Kindergeld
In der Vergangenheit konnte Kindergeld für bis zu vier Jahre rückwirkend beantragt und ausgezahlt werden. Diese Frist wurde ab dem 1.1.2018 auf sechs Monate verkürzt. Das Finanzgericht Niedersachsen sieht diese Gesetzesänderung als rechtswidrig an. Den Richtern zufolge können Eltern auch weiterhin die rückwirkende Auszahlung von Kindergeld für mehr als sechs Monate verlangen, soweit dies von der Familienkasse festgesetzt wurde.
Bedeutung des Kindergelds
Zweck des im Einkommensteuergesetz geregelten Kindergelds ist, im laufenden Kalenderjahr das steuerliche Existenzminimum eines Kindes inklusive des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs von der Einkommensteuer freizustellen. Im Übrigen dient es der Förderung der Familie. Das Kindergeld ist Bestandteil des sog. Familienleistungsausgleichs.
Allgemeines und Voraussetzungen
Voraussetzung für den Anspruch auf Kindergeld ist, dass der Berechtigte in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Des Weiteren muss seit dem 1.1.2016 der Familienkasse die Steuer-Identifikationsnummer des Kindes mitgeteilt werden.
Für jedes Kind wird das Kindergeld lediglich einem Kindergeldberechtigten ausgezahlt. Bei mehreren Berechtigten erhält derjenige das Kindergeld, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Besteht ein gemeinsamer Haushalt, können die Berechtigten einen Empfänger bestimmen.
Berücksichtigt wird jedes Kind im Sinne des Einkommensteuergesetztes vom Geburtsmonat an. Dies gilt für leibliche Kinder, Adoptivkinder sowie Pflegekinder.
Kinder unter 18 Jahren werden ohne weitere Voraussetzungen berücksichtigt. Für Kinder zwischen 18 und 25 Jahren kann Kindergeld bezogen werden, wenn
- sie für einen Beruf ausgebildet werden, sich in einer Übergangszeit von maximal vier Monaten zwischen begünstigten Zeitabschnitten befinden, eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen können oder einen im Gesetz genannten freiwilligen Dienst leisten (z.B. Bundesfreiwilligendienst).
Höhe des Kindergelds
Das Kindergeld beträgt derzeit monatlich 194 EUR für das erste und zweite Kind, 200 EUR für das dritte Kind sowie 225 EUR ab dem vierten Kind. Ab dem 1.7.2019 werden die Beträge auf 204 EUR für das erste und zweite Kind, 210 EUR für das 3. Kind sowie 235 EUR ab dem vierten Kind angehoben.
Das Kindergeld wird für jeden Monat gezahlt, in dem an wenigstens einem Tag die Voraussetzungen vorgelegen haben.
Auszahlungsverfahren
Das Kindergeld wird auf Antrag monatlich durch die zuständige Familienkasse an einen Kindergeldberechtigten ausgezahlt.
Bei vor dem 1.1.2018 gestellten Kindergeldanträgen verjährte der Anspruch erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist von vier Jahren – somit konnte das Kindergeld für das laufende Jahr und bis zu vier Jahre rückwirkend beantragt werden. Es war ausreichend, dass der Antrag innerhalb dieser Frist gestellt wurde. Die Familienkassen haben in diesen Fällen das Kindergeld antragsgemäß ausgezahlt.
Aufgrund einer Änderung des Einkommensteuergesetzes verkürzte sich die o.g. rückwirkende Auszahlungsfrist ab dem 1.1.2018 auf nur noch sechs Monate. Dabei bezieht sich diese Frist lediglich auf die Auszahlung, nicht auf die Festsetzung des Kindergeldanspruchs selbst.
D.h. selbst wenn durch die Familienkasse festgestellt wird, dass ein Kindergeldanspruch rückwirkend über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus besteht, nimmt die Familienkasse dennoch lediglich für maximal sechs Monate entsprechende Auszahlungen vor und verweist im Bescheid auf die Gesetzesänderung.
Klageverfahren
Gegen diese gesetzliche Fristverkürzung hat ein Vater Klage vor dem Finanzgericht Niedersachsen erhoben. Er hatte im Dezember 2017 für sein Kind bei der Familienkasse einen Kindergeldantrag für den Zeitraum August 2014 bis Januar 2018 gestellt. Das Antragsschreiben ging jedoch erst im Januar 2018 bei der Familienkasse ein. Diese wendete daher bereits die neue Rechtslage auf den Fall an.
So wurde zwar ein Kindergeldanspruch für die Zeit von August 2014 bis Juni 2017 in der beantragen Höhe von rd. 6.600 EUR festgesetzt, jedoch zahlte die Familienkasse lediglich nur für die zurückliegenden sechs Monate Juli bis Dezember 2017 Kindergeld in Höhe von rd. 1.350 EUR an den antragstellenden Vater aus.
Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen
Mit Urteil vom 25.9.2018 (8 K 95/18) bestätigt das Finanzgericht Niedersachsen die Auffassung des Klägers. Es sieht die Nichtauszahlungsverfügung der Familienkasse als rechtswidrig an. Wenn das Kindergeld tatsächlich für mehr als sechs Monate festgesetzt wurde, ist den Richtern zufolge trotz der Änderung des Einkommensteuergesetzes das Kindergeld in der festgesetzten Höhe auszuzahlen.
Zu beachten ist, dass das Finanzgericht gegen dieses Urteil die Revision zugelassen hat.
Folgen für betroffene Eltern
Ob die Familienkassen das neue Urteil sofort umsetzen, bleibt abzuwarten. Betroffene Antragsteller können sich aber auf das aktuelle Finanzgerichtsurteil berufen und Einspruch gegen den Kindergeldbescheid einlegen, wenn das festgesetzte Kindergeld nicht in voller Höhe ausgezahlt wurde. Die Frist für die Einlegung eines Einspruchs beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids.
Noch Fragen?
Hat die Familienkasse auch Ihnen weniger Kindergeld ausgezahlt als Sie beantragt haben? Akzeptieren Sie keine unberechtigten Kürzungen. Wir beraten und unterstützen Sie im Rahmen eines Einspruchsverfahrens und beantragen die Auszahlung des ungekürzten Kindergelds.
Sie möchten vorausschauend Streit mit der Finanzverwaltung und der Familienkasse vermeiden? Gerne prüfen wir auch frühzeitig die Anspruchsvoraussetzungen bzgl. Ihrer Kinder und unterstützen Sie bei den erforderlichen Anträgen.
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